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Innere Distanz

Beim Aufenthalt in einem hochauflösenden 360°-Illusionsraum, wie »Osmose« oder »Éphémère«, kann das Werk vom Subjekt nur schwerlich distanziert, kaum objektiviert werden, so dass jenes auch kaum als autonomer, ästhetischer Gegenstand wahrgenommen werden kann. Resultiert Medienkompetenz aus der Kraft oder der erlernten Fähigkeit, ein Medium zu objektivieren, so wird in virtuellen Installationen die Objektivierungsfähigkeit des Betrachters untergraben. Die Gestalter des Mediums lassen nichts unversucht, dieses aus dem Bewusstsein der Rezipienten verschwinden zu lassen. Objektivieren lässt sich das Medium virtuelle Realität, wie alle immersiven Bildtechniken, allenfalls durch die Aneignung und Reflexion über die bildgebenden Verfahren, die Kenntnis ihrer technischen, physiologischen und psychologischen Mechanismen, denn alles ist Bild. Je weiter die scheinbare Auflösung der Interfaces, je intuitiver, natürlicher die Interfaces geformt werden und damit die illusionäre Symbiose zwischen Betrachter und Werk voranschreitet, desto stärker schwindet die psychologische Distanz. Im unmittelbaren Dasein des

 

›allpräsenten‹ Virtuellen wird jener Mechanismus der Erkenntnisschöpfung jedoch nachhaltig beeinflusst. So gerät für die Kunst in einigen der scheinbar belebten virtuellen Environments ein fragiler Kernbereich in Bedrängnis: die Distanzgeste des Rezipienten, die eine kritische Reflexion erst möglich macht.[30]

Virtuelle Denkräume: Knowbotic Research/Hegedüs/Fleischmann

Dennoch sind mit immersiven Bildstrategien bemerkenswerte künstlerische Versuche unternommen worden, sich der scheinbaren Distanzlosigkeit zu widersetzen: In der Renaissance entwickelten italienische Neuplatoniker für das damals bekannte Weltwissen geistige, virtuelle Tempel der Erinnerung, Gedächtnistheater, Denkräume, Speicher des Wissens, in denen vielfältige, ja theoretisch unendlich viele Bezüge zwischen den Gegenständen und Gedächtnisorten erdacht und kombiniert werden konnten. Geistige, imaginäre Navigation durch diese Räume, die gleichfalls kombinatorische Prozesse erlaubten, die ›ars combinatoria‹, war das geistig produktive Prinzip der Gedächtnistheater, etwa eines

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