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Themenicon: navigation pathFoto/Byteicon: navigation pathKontinuitäten und Differenzen
 
 
 
 
 

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Starbild vorweg und steht damit am Beginn einer »facialen Gesellschaft«, in der »Gesichter von Politikern, Generälen, Managern, Sportlern, Künstlern oder eben Produkten zu Starporträts und Markenzeichen, zu publikumswirksamen Logos avancieren.« [25]

Moderner Betrachter

Auf der Londoner Weltausstellung von 1851 stellte Sir David Brewster ein transportables Sichtgerät vor, mit dem sich eine leicht verschoben aufgenommene Doppelfotografie zu einem räumlich wirkenden Bild verschmelzen ließ. [26] Brewsters Stereoskop wird ein großer Erfolg, denn »bald darauf beugten sich Tausende gieriger Augenpaare über die Öffnungen des Stereoskops wie über die Dachfenster der Unendlichkeit« [27] . Die in der Folgezeit massenhaft hergestellten Stereokarten [28] zeigen in erster Linie Baudenkmäler, Landschafts- und Stadtansichten – touristische ›Views‹ aus nahen und fernen Ländern, die via Stereoskop quasi ›virtuell‹ bereist werden konnten. Sie erlaubten dem Bürgertum zudem eine visuelle

 

Aneignung fremder Länder und Kulturen, die im Kolonialismus real vollzogen wird.

Zeitgenössische Beschreibungen [29] belegen, dass die ›visuelle Lust‹ bei der stereoskopischen Betrachtung von Fotografien in der Empfindung von Immersion [30] bestand: Die Außenwelt verschwindet zugunsten eines Bildraums, der wie ein realer erlebbar wird. In ihrer Verknüpfung von Apparatur und Sehphysiologie ist Stereoskopie Bestandteil einer »Modernisierung des Sehens« [31] , die, so der Kunsthistoriker Jonathan Crary, mit einem neuen Konzept des Betrachters verbunden ist. Die im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts vorangetriebene Erforschung der menschlichen Sehphysiologie kam zu dem Ergebnis, dass der Betrachter keineswegs passiver Empfänger von Bildern der Außenwelt ist, sondern diese erst im Sehvorgang herstellt. Optische Spielzeuge wie das Phenakistiskop, das Zootrope [32] und eben das Stereoskop veranschaulichen die neuen Erkenntnisse über das Sehen (wie etwa den Nachbildeffekt oder die Binokularität) und trainieren zugleich die Wahrnehmung, die im Zeitalter der Industrialisierung neuen Anforderungen ausgesetzt ist.

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