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kommt dem russischen Literaturkritiker Michail M. Bachtin (1895—1975), der bis in die 1970er Jahre unbeachtet blieb und heute als einer der repräsentativsten Literaturtheoretiker gilt, ein besonderer Stellenwert zu. Als scharfer Kritiker des Formalismus vertritt er die gleichrangige Bedeutung von Autor und Werkrezipient sowie eine viel weiter gefasste Konzeption der ästhetischen Dimension, da er sie als eine dialogische in den Gesamtkontext kultureller, philosophischer und historischer Praxis stellt. Sein Aufsatz über das Autorenproblem, von dem nur Teile erhalten sind, wurde wahrscheinlich in der ersten Hälfte der 1920er Jahre geschrieben, jedoch erst 1975 auf Russisch veröffentlicht. Die vorhandenen Fragmente können aber über die Grundideen Bachtins Aufschluss geben, und obwohl sich seine Überlegungen auf die Literatur beziehen, sind sie auch auf andere Kunstbereiche übertragbar. Bachtin stellt zunächst die Bedeutung in Frage, die man gewöhnlich dem ›Material‹ beimisst, mit dem der Autor arbeitet: der Sprache. Ein Dichter schaffe nicht in der Welt der Sprache, er benutze sie lediglich. Die von seinem Hauptanliegen bestimmte künstlerische Arbeit könne im Hinblick auf

 

das Mittel als »Überwindung des Materials« bezeichnet werden. [20] Dieser Ansatz gleicht besonders zwei, mit der Tradition brechenden Positionen, auf die im vorigen Abschnitt bereits hingewiesen wurde: erstens der Kritik am zentralen Stellenwert des Objekts und der Materie im ästhetischen Diskurs; zweitens der Informationstheorie und ihrem übergroßen Interesse am Zeichen. Laut Bachtin soll man nicht den technischen Apparat, sondern die immanente Logik des Schaffens verstehen. Überhaupt muss der Kontext, in dem sich der kreative Akt vollzieht, in Betracht gezogen werden. Mit anderen Worten, das Prädominieren der Materie beziehungsweise der Form reduziere die künstlerische Arbeit auf eine sekundäre und determinierte Etappe. Nach der ›Überwindung des Materials‹ hat gleichermaßen eine Neubestimmung der Rolle von Autor und Rezipient zu erfolgen. Bachtin führt somit die Frage nach der ›Krise der Autorenschaft‹ ein. Seines Erachtens sei die Krise des Autors nicht ausschließlich im Zusammenhang mit dem Individuum und dessen Schaffensbereich zu sehen, sondern impliziere die Neubestimmung des eigentlichen ›Ortes‹ der Kunst innerhalb der Kultur. Das Ziel des

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