Hinweis: Wenn Sie diesen Text sehen, benutzen Sie einen Browser, der nicht die gängigen Web-Standards unterstützt. Deshalb wird das Design von Medien Kunst Netz nicht korrekt dargestellt. Die Inhalte selbst sind dennoch abrufbar. Für größtmöglichen Komfort und volle Funktionalität verwenden Sie bitte die empfohlenen Browser.
 
Günther Selichar »Suchbilder« | Preisziehung ORF
Günther Selichar, »Suchbilder«, 1992 – 1993
Preisziehung ORF | Fotograf: ORF | © VG Bild-Kunst 2004


 
Günther Selichar »Suchbilder« | Preisziehung ORFGünther Selichar »Suchbilder« | Suchbild – Who's Afraid of Blue, Red and Green?Günther Selichar »Suchbilder« | Suchbild – Who's Afraid of Blue, Red and Green?Günther Selichar »Suchbilder« | Suchbild – Who's Afraid of Blue, Red and Green?

Kategorien: Foto

Relevante Textstellen:

»Dokument und Abstraktion« | 2


Österreich | Interaktives Medienprojekt in Zusammenarbeit mit dem Festival der Regionen und dem ORF/Linz.
 

 Günther Selichar
»Suchbilder«

In medias res, deskriptiv (II): Dass es dem Künstler, im Unterschied zum Werbemann, jedoch nicht um die Erzeugung undurchschauter Illusionen geht, ahnen wir spätestens angesichts einer zweiten Präsentation von Landschaftsbildern. An fünf Orten Oberösterreichs wurden nämlich großformatige Ink-Jet-Prints vor den jeweils zugehörigen »natürlichen« Panoramen installiert, und die Betrachter sind aufgefordert, Vorbild und Abbild so sorgfältig zu vergleichen, dass sie eine bestimmte Anzahl gezielt eingebauter »Fehler« auf den Reproduktionen lokalisieren können. Der Titel »Suchbilder« ruft nicht zufällig einen ziemlich simplen Freizeitspaß in Erinnerung, der in den Unterhaltungsspalten mancher Illustrierten anzutreffen ist und dort zuweilen auch den Titel »Original und Fälschung« trägt. Oft handelt es sich dabei um zwei Abbildungen eines Gemäldes, die in – sagen wir – zehn Details voneinander abweichen. Es ist aber auch schon vorgekommen, daß zwei leicht verschiedene Reproduktionen nach dem Foto einer verheerenden Überschwemmungskatastrophe zusammengestellt und dem Betrachter zum unterhaltsamen Vergleich dargeboten wurden. Daran lässt sich vielleicht ermessen, wie der Blick aufs Ganze der fragwürdigen Konzentration auf Einzelheiten geopfert werden kann. Soviel schon jetzt: Selichar blendet dagegen das Ganze nicht aus, sondern er eröffnet die Möglichkeit, es als Unwahres, nämlich als fiktive Natur in einem übergreifend fiktiven Zusammenhang zu erkennen [...].

In medias res, analytisch: Indem Günther Selichar seine extrem großformatigen Ink-Jet-Prints vor oberösterreichischen Landschaften aufstellt, knüpft er zwar an das allseits bekannte Suchbild-Spiel an; im Unterschied zur geläufigen Vergleichspraxis sind nunmehr jedoch einige Irritationen möglich. Sowohl das durch die Illustrierten vorgegebene Miniatur-Format der zu vergleichenden Bilder, als auch die Tatsache, daß es sich in diesem Fall auch beim so genannten »Original« um eine Reproduktion handelt, trägt dazu bei, daß man sich normalerweise nur auf Details konzentriert, ohne die Frage nach dem »Ganzen«, dem realen Vorbild, überhaupt zu stellen; dieses taucht gar nicht erst auf.

Anders verhält es sich mit Selichars Installation. Natur wird von den meisten Menschen immer noch als »Ganzes« empfunden. Stimmungsmäßig, atmosphärisch wahrgenommen, sind Landschaften, solange nicht kommerzielle Absichten den Blick lenken, etwas, das nicht akribisch beobachtet wird. Geschieht es, dank Selichars Intervention, nun doch, könnte die zivilisatorische (und das heißt: kulturelle) Durchkämmung, die der Natur allerorten zuteil wurde und wird, manchem Betrachter erstmals deutlich werden.

Von Anfang an war die Hingerissenheit, mit der man eine Landschaft als »so schön wie gemalt« bezeichnet, ein Dämmern der Erkenntnis, dass Kunst vielleicht wahrer sei als die uns zugängliche, uns ausgesetzte Natur. – Aber welche Kunst?
Selichars Außen-Installation markiert den Übergang von der Natur als uns entfremdeter zur Natur als – durch unser Zutun – sich entfremdeter. Unter diesen Bedingungen erweist sich die zurzeit so viel beschworene »Identität des Menschen mit der Natur« als hoffnungslos inadäquates Unmittelbarkeitsgestammel. Daran kommt Kunst ebenso wenig vorbei wie ästhetische Theorie…

Auszüge aus: Uli Bohnen/Christoph Doswald/Walter Seitter, Günther Selichar. Suchbilder, Salzburg/València 1993–94.