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Matthew Barney
»Cremaster 1«
»CREMASTER 1« (1995) ist eine überzuckerte Revue mit Musik, die auf dem blauem Astroturf im Bronco-Stadion in Boise/Idaho, Matthew Barneys Heimatstadt, aufgeführt wird. Zwei Goodyear-Zeppeline, ähnlich den Luftschiffen, die häufig Sportveranstaltungen zur Live-Übertragung im Fernsehen aufzeichnen, gleiten über das Spielfeld. Je vier Stewardessen in adretten, eng anliegenden Uniformen der 1930er Jahre bedienen schweigend die beiden Zeppeline. Das einzige Geräusch ist sanfte Hintergrundmusik, die das Summen der Motoren andeutet. Im Innern jeder Kabine steht in der Mitte ein mit einem weißen Tuch bedeckter Tisch, auf dem sich zur Zierde in der Mitte eine von Weintrauben umgebene abstrakte Art Deco-Skulptur aus Vaseline befindet. In dem einen Zeppelin sind die Trauben grün, in dem anderen sind sie purpurrot. Unter beiden dieser ansonsten völlig gleichen Tische logiert Goodyear (von Marti Domination gespielt), ein platinblondes Hollywood-Sternchen. Dieses Doppelwesen, das beide Zeppeline gleichzeitig bewohnt, setzt die Erzählung in Gang. Nachdem sie in das Tischtuch/die Tischtücher über ihrem Kopf eine Öffnung gebohrt hat, pflückt sie Weinbeeren von den Stielen und zieht sie hinunter in ihre weiße Zelle. Mit diesen Weinbeeren gestaltet Goodyear Diagramme als Vorlage für die choreographischen Muster, die von einer Gruppe Revuegirls unten auf dem Feld getanzt werden. Die Kamera schwenkt hin und her zwischen Goodyears Zeichnungen und Luftaufnahmen der Tanzmädchen, die ihre Formationen beziehen: Ihre Darbietung wechselt von parallelen Linien zur Form einer Hantel, von einem großen Kreis zur Umrisszeichnung sich teilender und vermehrender Zellen und von einem Emblem mit einem waagrecht geteilten Feld (Barneys Logo) zur Darstellung undifferenzierter Geschlechtsorgane (während der ersten sechs Wochen in der Entwicklung des Embryos). Im Takt mit der Musik zeichnen die Tanzmädchen in gleitender Bewegung die Konturen der noch androgynen Keimdrüsen nach, die in ihrer Form den Zeppelinen über ihnen entsprechen und den Zustand der im Keim vorhandenen Möglichkeit symbolisieren.
(Quelle: Matthew Barney, The Cremaster Cycle, Hatje Cantz:Ostfildern-Ruit 2002)