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Editorial
Kunst und Kinematografie
Gregor Stemmrich
»Kino und Kunst stellen eines der Paare von Bezugsgrößen dar, die unaufhörlich schlechte Seminare, entnervende Konferenzen und belanglose Ausstellungen zur Folge haben, auf denen Kunst zu etwas Ähnlichem in Beziehung gesetzt werden soll. [weiter]
Auteurs Künstler, Auteurs und Stars Über menschliche Faktoren in kulturindustriellen Verhältnissen Diedrich Diederichsen Der Auteur war vielleicht das letzte Modell eines alteuropäischen Künstlers, der spezifisch für die Kunst des Kinos stand. Die ihm zugrunde liegende Idee war, dass es auch im Umgang mit einem riesigen ökonomischen, technischen und hierarchisch-sozialen Apparat möglich sei, eine individuelle Handschrift zu bewahren und dass der individuell-verantwortliche Anteil an einem Film der entscheidende, nämlich der künstlerische Anteil sei. Kunst in einem kategorialen Sinne konnte das Kino nur um den Preis einer Idee von Autorschaft sein. [weiter] |
Immersion/Partizipation 'That's the only now I get' Immersion und Partizipation in Video-Installationen von: Dan Graham, Steve McQueen, Douglas Gordon, Doug Aitken, Eija-Liisa Ahtila, Sam Taylor-Wood Ursula Frohne Hundert Jahre nach Geburt des Films wird dieses Medium auf seine elementaren Strukturen zurückgeführt und mit analytischen Verfahren kritisch durchleuchtet. Künstlerinnen und Künstler der Gegenwart setzen sich heute mit der Wirkungsgeschichte des Kinos auseinander, dessen technische Dispositive zu kulturellen Konstanten unseres Rezeptionsverhaltens geworden sind: mit dem Schwarzraum in seiner ›Lichtspielqualität‹, mit der Erzählnorm, die den narrativen Handlungsfluss in Bildsequenzen bannt und mit dem Filmschnitt, durch dessen sinnfällige Montagetechnik die Illusion der ›Lebensechtheit‹ erst ermöglicht wird. Kino und Film sind hierbei nicht in erster Linie als Genre von Interesse, sondern als Fundus des visuellen Rohmaterials. [weiter] |
Wüsten des Politischen Strudel und Wüsten des Politischen - Michelangelo Antonioni, Robert Smithson und Michael Snow Tom Holert Die Jahre um 1970 erlebten eine Konjunktur der Wüste. Nicht nur, weil die Bilder der öden Mondoberfläche die Existenz einer weiteren Wüste dokumentierten. Mehr noch, weil begleitend zur Kolonisierung der außerirdischen Wüste die irdischen Wüsten mit Nachdruck ins Imaginäre einer globalen Populärkultur eingetragen wurden. In den späten 1960er Jahren wurde die Wüste zum Bauplatz spektakulärer earth works, die bildende Künstler wie Robert Smithson seit 1968 bevorzugt in den Wüsten von Kalifornien, Nevada und Utah ausführten. [weiter] |
Akerman Hin zu einem körperlichen Kino: Theatralität in Chantal Akermans Filmen der 70er Jahre Yvone Margulies Akermans Aufenthalt in den USA in den frühen 1970er Jahren brachte sie mit dem experimentellen Film, mit der Minimal Art und mit dem neuen amerikanischen Tanz und der Performance-Kunst in Kontakt. Die Kamera in »Hotel Monterey« und »News from Home« repräsentiert eine Variante des strukturellen Minimalismus. Akermans narrative Filmkunst inszeniert ein Kino der Gleichgültigkeit. Das Verhältnis zwischen der geistigen Versunkenheit und der Theatralität, das in »Jeanne Dielman«, »Je tu il elle«, und »Les Rendez-vous d'Anna« aufrechterhalten wird, deutet auf ein Verlangen hin, erneut mittels der Darstellung die Wahl zwischen dem Hinwenden des Gesichts zur Szene oder dem Hinwenden zum Publikum zu erleben. [weiter] |
Baldessari No More Boring Art. Die Arbeit von John Baldessari John Miller Für Künstler der Generation John Baldessaris hatte Professionalität sehr viel mit Bildung zu tun. Während technische Fertigkeiten ein Stigma waren, war Witz ein Plus. Baldessaris Entscheidung, mit Super-8 zu arbeiten, markierte eine unmissverständliche Abkehr von Technik und Mystizismus zugleich. Da die minimalen Ereignisse in seinen Filmen sich in Echtzeit abspielen, ist dies ein Rezept für Langeweile. Im Gegensatz zu seinen Filmen konstruiert Baldessari seine fotografischen Arbeiten typischerweise nach dem Prinzip der Montage. Für sein Rohmaterial benutzt er Stills von Filmen oder Fernsehsendungen. Was genau auf den einzelnen Aufnahmen zu sehen ist, bleibt der Willkür des Zufalls überlassen. [weiter] |
Broodthaers Das Museum der Attraktionen: Marcel Broodthaers und die 'Section Cinéma' Eric de Bruyn Für Marcel Broodthaers funktionierte der Film als ein eigenartiges Werkzeug der gleichzeitigen Einschreibung und Auslöschung. Broodthaers' eigenes filmisches Werk verhält sich stets in einem permanenten Widerspruch zwischen dem statischen und dem bewegten Bild. Es präsentiert einen Text, der im Prozess des Geschriebenwerdens begriffen ist und zugleich schon geschrieben worden ist. Ein Text, der die Gegenwart in Gang hält und sich damit im gleichen Moment als Teil der Vergangenheit einschreibt. [weiter] |
Debord »Ciné qua non«: Guy Debord und die filmische Praxis als Theorie Thomas Levin Der Künstler und Theoretiker Guy Debord formuliert in den 1960er Jahren mit seinen Thesen von der ›Gesellschaft des Spektakels‹ eine radikale Gesellschaftskritik. Kritisiert werden mit dem Begriff Spektakel sozio-ökonomische Zustände (z.B. Entfremdung), die durch Bilder der Massenmedien (Kino und Fernsehen) vermittelt werden. Debord ist führendes Mitglied der Situationistischen Internationale (SI), die in der ersten Ausgabe (1958) ihrer Zeitschrift Internationale situationniste (IS) eine ambivalente Haltung zum Kino einnimmt. [weiter] |
Douglas Le Détroit - Eine an Grauwerten reiche Erfahrung Frank Wagner Stan Douglas inszeniert in »Le Détroit« eine gleichzeitig banale wie komplexe Gruselgeschichte. Ihm gelingt es, das Unheimliche im Film durch suggestive Kameraeinstellungen, die nächtliche, einsame Szenerie, und einen beunruhigenden Soundtrack aus Außen- und Bewegungsgeräuschen zu schüren und zu verstärken und gleichzeitig die kulturell durch Literatur, Film und Fernsehen tradierten Komponenten und Deutungsmuster, die das Alltägliche unheimlich und fremd erscheinen lassen, zu dekonstruieren. Douglas' Film basiert einerseits auf seinen Recherchen über Detroit, die er in einer Serie von Fotografien festgehalten hat und einer okkulten Spukgeschichte von Shirley Jackson »The Haunting of Hill House« von 1959. [weiter] |
Graham Dan Grahams 'Cinema' und die Filmtheorie Gregor Stemmrich Dan Grahams »Cinema« (1981) existiert bis heute nur als architektonisches Modell. Konzipiert ist es in eins als abstraktes Denkmodell und als konkretes Erfahrungsmodell. In seiner dezidierten Abweichung von der gewöhnlichen Kinoarchitektur ist es darauf angelegt, dem Filmzuschauer die psychologische Wirkungsmacht der Kinoerfahrung - buchstäblich - transparent werden zu lassen. So aber bietet es sich zugleich dazu an, filmtheoretische Konzepte, wie sie sich seit dem Beginn der 1970er Jahre entwickelt haben, zu den Besonderheiten seiner Architektur in Beziehung zu setzen. Denn diese filmtheoretischen Konzepte sind vor allem metapsychologischer Art, das heißt, sie beschreiben nicht einfach konkrete psychologische Wirkungsformen des Kinos, gar solche, über die der Filmzuschauer selbst Auskunft geben könnte, sondern sind auf einer höchst abstrakten Ebene der Theoriebildung angesiedelt. [weiter] |
Marker Acousmêtrie - Zum Verhältnis von Stimme und Bild in den Filmen von Chris Marker Michael Wetzel Chris Marker selbst wird gern mit der Bemerkung des Computer-Freundes Yamaneko aus »Sans soleil« zitiert, dass die Bilder eben nur das sein wollten, was sie sind, »nämlich Bilder«. [weiter] |
Mulvey/Wollen »Riddles of the Sphinx«. Die Arbeit von Laura Mulvey und Peter Wollen zwischen Counter-Strategie und Dekonstruktion Winfried Pauleit Die theoretischen Schriften von Laura Mulvey und Peter Wollen formulierten nicht nur elaborierte Analysen und Kritik im Hinblick auf Film und Kunst im engeren bzw. Politik und Kultur im weiteren Sinne. Sie waren darüber hinaus Teil einer »sozialen Bewegung« in England, die im Zeitkolorit der 70er Jahre und unter dem Einfluss post-strukturalistischer Theorien aus Frankreich (Barthes, Derrida, Lacan), eine neue Textproduktion und Praxis anvisierten. Während sich jedoch in Frankreich der Begriff der Dekonstruktion durchsetzt für Strategien, die die klassische Unterscheidung zwischen Text und Kommentar zu unterlaufen suchen, halten Mulvey und Wollen am Begriff der »Counter-Strategie« fest. [weiter] |
Wieland Von Wüstenspringmäusen und Männer: Politik, Satire und Leidenschaft in einigen Filmen von Joyce Wieland Robin Curtis Obwohl die kanadische Künstlerin Joyce Wieland eine der wenigen Frauen in den 1960er Jahren war, die sich in den Bereich des Films wagte (besonders den ›strukturellen Film‹), erregten ihre Filme erstaunlich wenig kritische Aufmerksamkeit in den letzten Jahren. Der folgende Text erklärt diese Vernachlässigung mit Gründen, die in den Filmen selbst liegen, die ganz bewusst die Linie überschreiten, die Peter Wollen in seinem einflussreichen Essay 'The Two Avant-Gardes' nachgezeichnet hat und die in dem Insistieren auf einem Zwischenraum zwischen zwei Wahlmöglichkeiten liegt. [weiter] |