Hinweis: Wenn Sie diesen Text sehen, benutzen Sie einen Browser, der nicht die gängigen Web-Standards unterstützt. Deshalb wird das Design von Medien Kunst Netz nicht korrekt dargestellt. Die Inhalte selbst sind dennoch abrufbar. Für größtmöglichen Komfort und volle Funktionalität verwenden Sie bitte die empfohlenen Browser. |
Max Neuhaus
»Audium: Projekt für eine Welt als Hör-Raum«
Architektur der Rundfunkarbeiten
[Auszug aus: »Audium. Projekt für eine Welt als Hör-Raum«]
Meine Rundfunkarbeiten beschäftigen sich mit der Entwicklung neuer Musikformen, indem sie sich von bestehenden Konventionen und Musikkonzepten entfernen und auf neue zubewegen. Sie gehen davon aus, daß Musik dem Menschen angeboren ist, daß Musik nicht das Ergebnis hochentwickelter Fertigkeiten ist, sondern vielmehr das Resultat eines Einverständnisses innerhalb der Gruppe darstellt, die Musik macht. Musik zählt nicht als Ergebnis, sondern als Aktivität, nicht als rationaler, sondern als intuitiver, emotionaler und sinnlicher Prozeß; Musik ist nicht statisch, sondern ein sich entwickelnder, sich selbst ständig neu definierender Prozeß.
Nehmen wir die Einwegtonverbindung, die das Radio darstellt, und kombinieren sie mit dem Telefonnetz, so können wir etwas bilden, was man als Hör-Raum bezeichnen könnte. Er wird zur Zweiwegeverbindung: Menschen in diesem Raum können sich gegenseitig hören. Die Rundfunkarbeiten werden von Laiengruppen in einem gemeinsamen Hör-Raum geschaffen. Meine Aufgabe dabei war es nicht, ein Musikwerk zu definieren, sondern eine Umgebung von wechselseitigen Verbindungen zwischen Menschen zu schaffen, aus denen eine Arbeit entstehen kann.
All unsere klangerzeugenden Aktivitäten – vom Sprechen einer Sprache über das Spielen eines Musikinstruments bis hin zu der herkömmlichen Komposition – spielen sich in einem kreisförmigen Prozeß ab. Wenn wir sprechen, hören wir gleichzeitig unserem Stimmapparat zu und modifizieren ihn ständig entsprechend dem, was wir ihn hervorbringen hören. Es ist ein schleifenförmiger Prozeß, der sich aus folgenden Komponenten aufbaut: klangerzeugende Aktion, Beurteilung des resultierenden Klanges, Anpassung und wieder klangerzeugende Aktion. Können wir nicht hören, ist es folglich unmöglich, richtig zu sprechen.
Die Rundfunkarbeiten entstehen in diesem Prozeß wechselseitiger Abhängigkeit durch Hinzufügen eines aktiven Elements – einer Umwandlung der erzeugten Klänge, bevor sie über den Rundfunk gehört werden. In den ersten dieser Arbeiten führte ich diese Transformationen manuell aus; später setzte ich dafür spezialisierte Computersysteme ein, um so die Möglichkeiten zu erweitern und die Klangumwandlungen autonom zu machen.
[...]
Quelle: Edith Decker, Peter Weibel (Hrsg.), Vom Verschwinden der Ferne. Telekommunikation und Kunst, DuMont Buchverlag, Köln 1990, S. 122–123. Der Text enthält Auszüge aus Vorträgen, gehalten an der New Scool for Research, New York, im März 1982; ergänzt 1984 und 1990. »Audium« wurde als Konzept 1978 entworfen. Übersetzugn aus dem Englischen; Brigitte Kalthoff.